Der deutsche Chirurg Jan Wynands berichtet von seinen Einsätzen im Gazastreifen, wo er für Ärzte ohne Grenzen tätig war. Er beschreibt, dass nach der Waffenruhe nicht mehr primär akute Kriegsverletzte, sondern vor allem Menschen mit den langfristigen Folgen des Krieges behandelt werden.
Dazu gehören chronische Wunden, Infektionen nach notdürftigen Operationen und Druckgeschwüre. Aufgrund der Zerstörung der Infrastruktur und der großen Zahl an Menschen auf engstem Raum kommt es vermehrt zu Unfällen und Verbrennungen bei Kindern.
Die medizinische Versorgung im Gazastreifen ist nach wie vor stark eingeschränkt. Zwar reichen die Mittel für die Basischirurgie, doch für komplexere Eingriffe wie Nerven- oder Gefäßnähte fehlen oft spezialisierte Verbände, Wundauflagen und feinchirurgisches Instrumentarium.
Auch Schmerzmittel, Antibiotika und Hygienematerialien sind extrem knapp. Wynands schätzt, dass seit Oktober 2023 etwa 170.000 Menschen im Gazastreifen verletzt wurden.
Viele benötigen weitere Eingriffe, physiotherapeutische Betreuung und langfristige Nachsorge, um Behinderungen zu vermeiden. Die Arbeit unter den Bedingungen des Krieges ist eine ständige Herausforderung.
Trotz Explosionen und Vibrationen müsse man sich konzentrieren und weiterarbeiten, so Wynands. Die Zusammenarbeit mit den palästinensischen Kollegen beschreibt er als sehr herzlich und professionell.
Viele Kolleginnen und Kollegen haben persönliche Verluste erlitten, was die Situation zusätzlich belastend macht. Ein weiteres gravierendes Problem ist die Mangel- und Unterernährung der Bevölkerung, die die Wundheilung erheblich erschwert und die Grenzen selbst bester medizinischer Versorgung aufzeigt.
Wynands sieht einen enormen Bedarf an plastisch-rekonstruktiver Chirurgie zur Behandlung chronischer, nicht heilender Wunden und zur Verhinderung von Behinderungen. Die medizinischen Herausforderungen im Gazastreifen seien von ganz anderer Dimension als seine Arbeit in Bonn.